«Fair bedeutet, verschiedene Perspektiven zu berücksichtigen»

Terresta-Geschäftsführerin Claudia Siegle im Interview.

Menschen
| 14.04.25
Claudia Siegle im Treppenhaus

Lassen sich faire Mieten, Ökologie und das Erwirtschaften von Ertrag für die SKKG unter einen Hut bringen?

Es ist anspruchsvoll, diese divergierenden Ziele aus unserer Strategie in Einklang zu bringen. Doch ich bin überzeugt, dass wir einen stimmigen Konsens finden. Wir schaffen kaum bei allen Zielen immer 100 Prozent, sondern müssen projektspezifisch abwägen, so dass wir über das gesamte Portfolio eine Balance erreichen. Und diese Balance soll fair sein für alle Seiten. Das ist eine Kunst, und dafür setze ich mich ein.

Terresta sei «fair und engagiert», so das Versprechen. Was bedeutet das für dich?

Für mich bedeutet fair, dass Terresta verschiedene Perspektiven berücksichtigt – auch wenn diese sich vielleicht widersprechen. Diese Widersprüche wollen wir transparent und nachvollziehbar machen. Fair heisst für mich auch, nicht zu fest an der eigenen Seite des Tischtuchs zu ziehen, sondern gemeinsam vorwärts zu gehen. 

Engagiert sind wir dann, wenn uns etwas wichtig ist. Bei unseren Mitarbeiter:innen spüre ich das Engagement zum Beispiel im Umgang mit langjährigen Mieter:innen, im Umgang mit den historischen Häusern in der Winterthurer Altstadt oder wenn unser Gärtner die Umgebung einer Liegenschaft biodiverser gestalten kann.

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«Bei Renovationen versuchen wir, die Mietzinserhöhungen möglichst tief zu halten.»

Claudia Siegle

Neu erstellte Wohnungen werden von Terresta fast zu marktüblichen Preisen vermietet. Wieso das?

Weil es der gebotenen Leistung entspricht. Mit neu geschaffenem Wohnraum orientieren wir uns am Markt und sprechen damit Menschen an, die etwas höhere Ansprüche haben. Bei unserem Neubau an der Waldeggstrasse haben wir gesehen, dass dies geschätzt wird – wir hätten die Wohnungen mehrfach vermieten können. 

Bei Renovationen von bestehenden Wohnungen hingegen versuchen wir, die Mietzinserhöhungen möglichst tief zu halten, so dass die heutigen Mieter:innen bleiben können. Diese Diversität ist wesentlich für uns: Nur mit unterschiedlichen Ansätzen können wir über das ganze Portfolio hinweg eine Balance schaffen zwischen den sozialen, finanziellen und ökologischen Zielen der SKKG. 

Viele Liegenschaften sind baufällig und müssen renoviert werden. Und nach der Renovation steigen die Mietpreise. Gibt’s künftig keine günstigen Wohnungen mehr bei Terresta? 

Wir werden auch in Zukunft vergleichsweise günstige Wohnungen anbieten können. Das hat mit unseren Liegenschaften zu tun: Viele Wohnungen sind effizient und eher klein, was zu einem geringen Flächenverbrauch führt. Wenn wir renovieren, dann erhalten die Liegenschaften meist neue Wasserleitungen, Bäder und Küchen. Aber auch eine bessere Wärmedämmung und eine neue Heizung. So steigen zwar die Nettomieten, doch im Normalfall werden die Nebenkosten günstiger. 

Zudem wissen wir, dass viele unserer Mieter:innen auf günstigen Wohnraum angewiesen sind. Darum geben wir bei bewohnten Renovationen nur rund die Hälfte der gesetzlich zulässigen Erhöhung weiter. Die SKKG verzichtet also bewusst auf einen Teil der möglichen Rendite.

Hobelwerkweg

Hobelwerkweg 1 und 3 in Winterthur: Denkmalgeschützte Liegenschaften aus den 1960er-Jahren, die wir demnächst im bewohnten Zustand renovieren.

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Warum verzichtet die SKKG nicht ganz auf die Rendite und bietet noch günstigeren Wohnraum an?

Unsere Liegenschaften sind ein wesentlicher Teil des Stiftungsvermögens, und dieses Vermögen darf nicht verringert werden. Es muss genügend Ertrag erwirtschaften, damit die SKKG ihre Tätigkeiten zur Erfüllung des Stiftungszwecks finanzieren kann. Dafür ist Terresta verantwortlich, das ist unser Auftrag. Dass viele unserer Wohnungen günstig sind, hat damit zu tun, dass sie effizient gebaut sind und in der Vergangenheit wenig gepflegt wurden – nicht mit dem Stiftungszweck der SKKG.

Du bist jetzt schon bald zwei Jahre bei Terresta. Was hast du erreicht und worauf bis du besonders stolz?

Was ich erreicht habe, habe ich zusammen mit meinem Team erreicht. Zum Beispiel die Klärung von «fair»: Wir haben gemerkt, dass da viel mehr drinsteckt als nur die Mieten. Für Terresta beinhaltet das einen fairen Umgang mit unseren Mieter:innen, Mitarbeiter:innen, Partner:innen. Und da bin ich stolz drauf, denn das gibt Orientierung sowohl nach innen als auch nach aussen. Stolz macht mich auch, dass wir bei vielen Zielen unserer Immobilienstrategie auf Kurs sind.

«Wir sind dafür verantwortlich, das vielfältige und spannende Portfolio der SKKG für die Zukunft zu erhalten.»

Claudia Siegle

Claudia Siegle vor Fassade Hobelwerkweg

Welches sind momentan die grössten Herausforderungen für dich und für Terresta?

Unsere Verantwortung ist mir sehr wichtig: Wir sind dafür verantwortlich, das vielfältige und spannende Portfolio der SKKG für die Zukunft zu erhalten. Das hat einen Einfluss nicht nur auf die Geldflüsse, sondern ganz wesentlich auf die Mieter:innen, auf die Nachbarschaft und die Quartiere. Diese grosse Verantwortung sollten wir stets im Auge behalten.

Für die Mitarbeiter:innen der Terresta gilt es, Stabilität und Orientierung zu schaffen. Denn die letzten Jahre haben viele Wechsel mit sich gebracht, sowohl in der Geschäftsführung als auch in der Organisation. Diese Veränderungen abzuschliessen und nach vorne zu schauen, ist eine Herausforderung. Ich freu mich, daran weiterzuarbeiten und unser Selbstverständnis als Bereich Immobilien der SKKG zu festigen.

Worauf freust du dich sonst noch?

Viele unserer Bauprojekte wurden schon vor langer Zeit initiiert. In den nächsten Monaten kommen einige nun endlich zur Ausführung, zum Beispiel die Renovation im bewohnten Zustand am Hobelwerkweg 1 und 3. Ein mittelgrosses Projekt, bei dem wir beweisen können, was wir mit «fair» meinen. Und bei dem viele Partner miteinbezogen sind, von der Denkmalpflege bis zum Bundesamt für Energie. Darauf freue ich mich sehr und bin gespannt auf das Resultat.

  • Fotografie

    Giglio Pasqua

  • Text

    Ariel Leuenberger