Frischer Wind in historischen Gassen
Die Winterthurer Altstadt ist ein Juwel. Damit das so bleibt, braucht es Engagement, Fingerspitzengefühl und manchmal auch mutige Investitionen.

Wer in den letzten Jahren durch die Steinberggasse oder die Neustadtgasse spazierte, hat es bemerkt: Hier tut sich etwas. Viele Häuser erstrahlen in neuem Glanz, doch es geht um mehr als frische Farbe und isolierte Dächer. «Seit Terresta mit den Renovationen begonnen hat, sieht es in der Steinberggasse bunter und belebter aus», sagt Bea Linder, Geschäftsführerin der City-Vereinigung junge Altstadt. «Ohne sie hätten wir hier wohl mehr Einheitsbrei.»
Denn für Terresta und die SKKG sind Vielfalt und Kontinuität wichtiger als kurzfristige Rendite. So zogen in die renovierten Räume an der Steinberggasse 52 nicht etwa die üblichen Laden-Ketten ein, sondern lokale Originale wie die Pizzeria Don Camillo oder demnächst der beliebte Spieleladen Jugglux. Zwischennutzungen sorgen dafür, dass die Erdgeschosse auch während Umbauphasen oder bei Leerständen belebt bleiben. So etwa an der Obergasse 3, wo das neue Lokalmedium WNTI ein temporäres Büro einrichten konnte, oder im ehemaligen Solarkafi an der Steinberggasse, wo jetzt ein Pop-Up-Restaurant vorübergehend heisse Toasts serviert.
Ein Jahrzehnt der Erneuerung
Die Zahlen lassen sich sehen: In den letzten zehn Jahren hat Terresta insgesamt 23 Liegenschaften in der Altstadt renoviert, drei weitere sind aktuell in Ausführung: Obertor 3, Neustadtgasse 8 und Neustadtgasse 20. Insgesamt besitzt die SKKG 53 Liegenschaften in der Altstadt, von denen 27 noch nicht renoviert sind. «Früher standen Totalsanierungen im Vordergrund, heute setzen wir auf sanfte Eingriffe», erklärt David Rutz, Leiter Bau bei Terresta. «Wir versuchen, möglichst viel zu bewahren und individuell auf jedes Objekt einzugehen.»
Schätze unter Putz und Farbe
Besonders eindrücklich zeigt sich das in der Neustadtgasse 8: Unter dicken Farbschichten wurden filigrane Stuckaturen an der Decke entdeckt, an den Wänden tauchten sogar historische Malereien auf. «Das sind echte Schätze», sagt Rutz. «Solche Funde machen jedes Projekt einzigartig». Das Bergen der Schätze ist oft sehr aufwändig und verursacht entsprechende Kosten. Doch trotz Investitionen – rund 2 bis 3 Millionen Franken pro Haus – bleiben die Mieten oft unter dem Marktwert. «Das ist nur möglich, weil unsere Häuser einer gemeinnützigen Stiftung gehören, die bewusst auf einen Teil der möglichen Einnahmen verzichtet», so Rutz. Die Bewohnerinnen und Bewohner erhalten mehr Komfort dank modernen Küchen und Bädern sowie zentrale Fernwärme statt Einzelöfen, gleichzeitig bleibt der historische Charme erhalten.
«Um ein schützenswertes Gebäude erhalten zu können, muss es genutzt und gepflegt werden.»
Konstanze Domhardt, Denkmalpflege Winterthur
Denkmalpflege als Partnerin
Die Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege wurde professionalisiert – ein gemeinsam erarbeiteter Zehn-Punkte-Plan sorgt für Klarheit und gegenseitigen Respekt. Die Denkmalpflege ist dabei eine langjährige Partnerin für Terresta. Konstanze Domhardt, die leitende Denkmalpflegerin der Stadt Winterthur, betont: «Viele Liegenschaften der SKKG liegen an prominenter Lage und enthalten noch mehrheitlich wertvolle historische Bausubstanz – damit tragen sie einen besonders hohen Zeugniswert.»
Für sie ist Denkmalpflege vor allem eine Kommunikationsaufgabe: Missverständnisse abbauen, Identität vermitteln und zeigen, dass Erhalt und Entwicklung sich nicht ausschliessen. «Um ein schützenswertes Gebäude erhalten zu können, muss es genutzt und gepflegt werden», sagt Konstanze Domhardt. «Es muss für uns heute sinnstiftend sein, uns Freude bereiten und somit für alle Beteiligten einen Mehrwert erbringen.»

Vor der Renovation standen die oberen Stockwerke grösstenteils leer (links), doch 2024 haben wir im Haus an der Steinberggasse 52 Büros zu Wohnungen umgebaut. Auch ein Restaurant ist eingezogen (rechts).

«Man spürt, dass Terresta hier verankert ist und einen Bezug hat zu den Gassen und zu den Leuten.»
Bea Linder, City-Vereinigung junge Altstadt
Dem Mix Sorge tragen
Winterthur beherbergt neben historischen Gebäuden auch die grösste zusammenhängende Fussgängerzone der Schweiz – ein Alleinstellungsmerkmal, das gepflegt werden will. «Der Mix aus grossen Marken und inhabergeführten Geschäften macht den Charme der Altstadt aus», betont Bea Linder. Und dazu trägt die Vermietungspolitik von Terresta bei: Neue Ladenlokale wie an der Steinberggasse 52 werden gezielt so vergeben, dass sie das bestehende Gewerbe ergänzen, nicht konkurrenzieren. «Man spürt, dass Terresta hier verankert ist und einen Bezug hat zu den Gassen und zu den Leuten», so Bea Linder.
Kontinuität ermöglichen
Trotz baulichen Veränderungen in den letzten Jahren ist vieles gleich geblieben in den Häusern der SKKG: Die meisten Mieterinnen und Mieter ziehen nach der Renovation wieder in ihre Wohnungen. Und die Geschäfte in den Erdgeschossen sind während der Bauarbeiten oft geöffnet. Das ist David Rutz ein grosses Anliegen: «Im Grundsatz bauen wir immer um die Gewerbe herum und versuchen, gemeinsame Lösungen zu finden, falls sie tangiert werden» – eine weitere Voraussetzung, um den bunten Mix der Altstadt zu erhalten.
Dieser Text entstand für das Winterthurer Jahrbuch 2025 und erscheint hier mit freundlicher Genehmigung.
Text
Ariel Leuenberger
Bilder
Goran Potkonjak



